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Interview avec…

Frauen im Rechtswesen: Romina Polley, Partner, Cleary Gottlieb Steen & Hamilton

Was hat Sie dazu motiviert, Anwältin zu werden? Kartellrecht habe ich bereits während meiner Studienzeit Anfang der 90iger Jahre kennengelernt, und mir gefiel die Kombination von juristischer und wirtschaftlicher Argumentation. Die Veranstaltungen damals an der FU Berlin waren nah an der Praxis mit Vertretern des Bundeskartellamts und Kartellrechtsanwälten, und über die Fälle, die wir diskutierten, wurde in der Zeitung geschrieben. Ich habe schon während der juristischen Ausbildung in Wirtschaftskanzleien gearbeitet und fühlte mich von diesem dynamischen, herausfordernden Umfeld von Anfang an angezogen. Interessenvertreterin zu sein, entspricht auch meiner Persönlichkeit. Hatten Sie beim Entschluss, eine juristische Laufbahn einzuschlagen, Bedenken darüber, wie sich dieser Beruf auf Ihre Work-Life-Balance auswirken könnte? Mitte der 90iger Jahre spielte das Thema Work-Life-Balance eine deutlich geringere Rolle als heute. Man fand es damals einfach toll, viel zu arbeiten, so lange die Arbeit interessant war und es Entwicklungsmöglichkeiten gab. Bedenken hatte ich damals allerdings im Hinblick darauf, von männlichen Seniorpartnern für voll genommen zu werden. Die Familienplanung war das zweite Problem. Es gab damals noch so gut wie keine Teilzeitstellen, und wenn man diesen Weg einschlug, bedeutete das zumindest in einer Wirtschaftskanzlei das Ende der Karriere. Dies ist heute Gott sei Dank anders. Eine Anwaltskarriere ist ein Langstreckenlauf. Wenn man die familiäre Basis und andere Interessen zu stark vernachlässigt, geht einem irgendwann die Puste aus. Dies sage ich auch jungen Kolleginnen. Während sich die Situation langsam verbessert, bleibt die Zahl der Partnerinnen in Anwaltskanzleien weiterhin gering. Was liegt dem zugrunde? Lange wurde das Potenzial von Anwältinnen unterschätzt. Es gab ja auch kaum Beispiele erfolgreicher Partnerinnen, und die Beförderungsentscheidungen wurden ausschließlich von Männern gefällt. Mittlerweile arbeiten alle Sozietäten hart an einem höheren Frauenanteil auch in Partnerpositionen, und es gibt zunehmend Mandanten, die diesen auch aktiv einfordern. Trotz dieser verbesserten Ausgangslage ist der Spagat zwischen einem erfüllten Berufsleben und einem glücklichen Privatleben bei Frauen immer noch deutlich größer als bei Männern. Wir haben deshalb immer noch zu wenig Frauen, die überhaupt bereit sind, diesen Weg zu gehen. Ich habe viele Kolleginnen verloren, denen ich die Partnerschaft zugetraut hätte, die aber Angst hatten, sich zu überfordern. Was wäre nötig, um dieses einseitige Geschlechterverhältnis langfristig auszugleichen? Meines Erachtens geht es nur mit systematischer Förderung von weiblichen Kolleginnen bereits am Anfang der Karriere. Wir müssen darauf achten, dass sie die gleichen Chancen bekommen, an attraktiven Mandaten mitzuarbeiten und in der Kommunikation mit den Mandanten führende Rollen zu übernehmen. Zusätzliche Unterstützung bei Public Speaking kann im Einzelfall sinnvoll sein. Es geht darum, gezielt Gelegenheiten für Kolleginnen zu schaffen, sich zu profilieren. Bei Frauen in Elternzeit sollte man sehr deutlich machen, dass die Rückkehr erwünscht ist und der Karriereweg weitergeht. Frauen brauchen mehr Ermutigung als Männer, was gutes Mentoring erfordert. Partner sollten sich gegenseitig Rechenschaft über ihre Bemühungen auf dem Gebiet der Frauenförderung ablegen. Gibt es etwas, was den Weg zur Partnerschaft für Frauen schwieriger oder vielleicht weniger attraktiv macht als für Männer? Wie bereits angesprochen wird bei Frauen die Karriere häufig durch Elternzeit unterbrochen und sie trauen sich die Doppelbelastung in einem Job, der viel Zeit und Engagement erfordert, nicht zu. Zwar bringen sich Männer mittlerweile deutlich mehr in die Kinderbetreuung ein. Die Hauptlast bleibt jedoch meistens bei den Frauen, teilweise auch weil der in der Regel ein paar Jahre ältere Mann in der Karriere schon fortgeschrittener ist. Auch die gesellschaftliche Erwartung, dass die Frau in Bezug auf Kinder der Hauptansprechpartner ist, setzt unter Druck. In Deutschland haben wir noch zusätzlich das Problem unzureichender Kinderbetreuung. Wer sein Kind nachmittags um vier im Kindergarten abholen muss, tut sich im Anwaltsjob schwer. Es gibt aber auch das Problem, dass Frauen deutlich selbstkritischer sind als Männer, und sich in einer größeren Organisation nicht so leicht durchsetzen. Wenn es um interessante Projekte geht, melden sich männliche Kollegen sofort, auch wenn sie nicht die nötige Erfahrung haben. Frauen dagegen zögern sich in die erste Reihe zu stellen, wenn sie sich nicht qualifiziert fühlen: Obwohl sie erfolgreich sein wollen, fühlen sie sich nicht wohl, sich in den Vordergrund zu schieben. Es fehlt häufig an Rollenmodellen im unmittelbaren Umfeld, wie man als Frau erfolgreich sein kann. Es ist auch unattraktiv, als einzige Frau unter männlichen Kollegen zu arbeiten. Da kann man sich schon einsam fühlen, und Frauen sind in Bezug auf die Arbeitsatmosphäre und das soziale Umfeld sensibler als Männer. Sobald mehr Kolleginnen da sind, wird es einfacher, weitere Frauen zu gewinnen. Während man in einigen Praxisbereichen, wie Bank- und Finanzrecht oder Arbitration, einige Frauen auf Partnerebene findet, wird die Partnerebene in anderen Praxisbereichen, wie Corporate/ M&A, Kapitalmarkt und Steuerrecht, hauptsächlich von Männern besetzt. Woran liegt das? Im Dealgeschäftt sind die Arbeitszeiten sicherlich noch unberechenbarer als in anderen Bereichen. Rollenbilder spielen aber auch eine Rolle. Männer entsprechen auf den ersten Blick mehr dem Bild des „toughen“ Verhandlers als Frauen und flößen Mandanten zumindest auf Anhieb mehr Vertrauen ein. Je weniger Frauen es in einer Praxisgruppe gibt, und je männlicher dominiert das Rollenbild, umso schwerer ist es auch, Dinge zu verändern. Im Kartellrecht gab es damals, als ich anfing, auch keine Frauen. Mittlerweile hat sich das stark verändert. Viele Inhouse-Ansprechpartner sind weiblich, und es gibt mittlerweile auch mehr Anwältinnen, obwohl es auch im Kartellrecht um wirtschaftliche Themen geht. Tun Kanzleien Ihrer Erfahrung nach genug, um ein für aufstrebende Rechtsanwältinnen attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen? Sehen Sie hier unterschiedliche Herangehensweisen zwischen großen internationalen Kanzleien und lokaleren Einheiten? Heute verfolgen Kanzleien mit viel mehr Engagement das Ziel, den Frauenanteil in den höheren Chargen zu erhöhen, als Mitte der 90iger Jahre, als ich Anwältin wurde. Die Fortschritte werden auch mit mehr Datenmaterial gemessen, während früher immer nur anekdotische Diskussionen stattfanden. Es gibt aber auch Rückschlage und Frustration, weil die Veränderungen nicht schnell genug gehen und auch Partnerinnen vorzeitig ausscheiden, weil sie noch andere Interessen verfolgen wollen. Immerhin ist die Zeit der Lippenkenntnisse vorbei, weil die wirtschaftliche Notwendigkeit weibliche Talente zu entwickeln da ist. Ich sehe keinen großen Unterschied zwischen Großkanzleien und Boutiquen, sondern es ist eine Frage der Kultur der jeweiligen Kanzlei. Zwar wirkt eine Boutique auf den ersten Blick vielleicht weniger einschüchternd und die Atmosphäre ist familiärer. Andererseits lässt sich in Großkanzleien die Arbeit leichter auf mehrere Schultern verteilen, und es gibt Funktionen, die sich gezielt um Frauenförderung kümmern. Bei internationalen Kanzleien fällt positiv ins Gewicht, dass man in anderen Ländern mit dem Thema schon etwas weiter ist als in Deutschland, und dies für junge Anwältinnen motivierend wirkt. Sehen Sie bei der Auswahl von externen Rechtsberatern seitens Mandanten einen Trend hin zur Forderung nach oder Bevorzugung von diversityorientierten Teamzusammenstellungen? Und falls ja, inwieweit wirkt sich das auf die Recruitment-Strategie von Kanzleien bzw. auf interne Beförderungen aus? Bei amerikanischen Mandanten wird mittlerweile schon darauf geschaut, wie divers Teams von Anwälten zusammengesetzt sind. Teilweise wird man auch zu Interviews eingeladen, um über die Fortschritte der eigenen Kanzlei bei Diversity & Inclusion zu berichten. Derlei Maßnahmen sind hilfreich. Als treibende Kraft bei den verstärkten Bemühungen um Nachwuchsanwältinnen sehe ich jedoch den immer stärker werdenden Kampf um junge Talente. Wir können es uns einfach nicht leisten, auf das Riesenpotential hochqualifizierter Juristinnen zu verzichten. Man merkt ja auch im Arbeitsalltag, wie gewinnbringend divers zusammengesetzte Teams bei der Zusammenarbeit sind. Das Problem ist mittlerweile auch nicht mehr, Berufseinsteigerinnen zu gewinnen. Vielmehr geht es darum, die Kolleginnen im Anwaltsberuf zu halten. Wenn Sie auf Ihre Karriere und Ihre Erfahrung daraus zurückblicken, welchen Rat würden Sie jungen Studentinnen geben, die eine juristische Laufbahn einschlagen wollen? Ich würde jungen Kolleginnen raten, sich für den Beruf zu entscheiden, der sie wirklich interessiert und jede sich bietende Gelegenheiten zu ergreifen, unterschiedliche Arbeitsumfelder kennenzulernen. Ich kenne viele Frauen, die bereits am Anfang ihrer Karriere hauptsächlich die Familienplanung im Auge haben, ohne sich je ausprobiert zu haben. Das finde ich schade. Es kursieren viele Vorurteile über die Belastungen des Anwaltsberufs, die junge Juristinnen abschrecken. Dabei hat sich mittlerweile wirklich viel geändert. Dringend empfehlen würde ich auch, sich eine Mentorin oder einen Mentor zu suchen, die einen über einen längeren Zeitraum bei der beruflichen Entwicklung unterstützen.
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